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Einleitung
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Mythos Jakobswege
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St.-Jakobus d.Ä. - Apostel und Maurentöter?
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Santiago de Compostela - warum wurde das
Grab zum
Hauptpilgerziel?
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Mittelalterliche Pilger unterwegs!
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Der "wahre Jakob"!
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Heilige Jahre
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Deutschland und seine Jakobswege
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Stolzenfels im Jakobswege-Netz
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Warum das 21. Jh. sich nicht so sehr vom
hohen Mittelalter
unterscheidet!
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Einleitung
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Mythos Jakobswege
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St.-Jakobus d.Ä. - Apostel und Maurentöter?
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Santiago de Compostela - warum wurde das Grab zum Hauptpilgerziel?
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Mittelalterliche Pilger unterwegs!
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Der "wahre Jakob"!
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Heilige Jahre
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Deutschland und seine Jakobswege
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Stolzenfels im Jakobswege-Netz
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Warum das 21. Jh. sich nicht so sehr vom hohen Mittelalter
unterscheidet!
Im
Jahre 2007 haben 114.026 Pilger die heiß begehrte Compostela, die Pilgerurkunde
eines Jakobspilgers, in der Kathedrale in Santiago de Compostela in Empfang
genommen. Damit hat sich die Zahl der Pilger auf dem Jakobsweg seit 1989 mehr
als verzwanzigfacht.
Zur
Erklärung: die Compostela, die Urkunde des Domkapitels, erhält ein Jakobspilger
heute, wenn sie oder er die letzten 100 km zu Fuss
oder die letzten 200 km per Fahrrad oder Pferd zurückgelegt hat. Ein Ablass -
also ein Sündenerlass - wie oft fälschlich behauptet, ist damit ausserhalb der Heiligen Jahre nicht verbunden. Eigentlich
schade, denn das wärs doch wieder. Wie in früheren
Jahren - genau genommen bis zur Reformation - pilgern wir ein bisschen, oder
zahlen ein bisschen Geld in die Kirchenkassen, und schon sind unsere Sünden
vergeben. Toll, das Himmelreich wäre uns stets sicher. Also: kein Ablass, nur
ein Beweis, dass man da war.
Und
dieser Beweis war früher ganz schön wichtig. Aber dazu später.
114.026
Pilger - das muss man sich einmal vorstellen. Das ist etwas mehr als die
Einwohnerzahl von Koblenz. Alle auf dem Weg! Auf den letzten 100 km vor Santiago
de Compostela geht es zu wie beim Volkswandertag bei strahlendem Sonnenschein
im Mai. Jeder 9. oder 10. Jakobspilger war ein Deutscher - immerhin 13.837.
Damit stellten die Deutschen, nach den Spaniern mit immerhin etwas über 55.000 Pilger, die stärkste Nationalitätengruppe. Ich sag's ja, die
Deutschen sind immer schon da. Wenn es irgendwo etwas zu erleben gilt: entweder
ist der Deutsche schon dagewesen, oder er macht sich gerade auf den Weg. Oder
aber er kennt einen, der sich gerade auf den Weg gemacht hat. So wie Hape
Kerkeling, den kennt fast jeder Deutsche. Und das Buch "Ich bin dann mal
weg ..." kennt man auch.
Noch
ein bisschen Statistik? Okay, 43.581 Pilger waren religiös motiviert, 60.944
gaben an, sie wären religiös-kulturell motiviert auf die Reise gegangen und schliesslich 9.501 Pilger ausschliesslich
kulturell. 50.916 Pilger waren bis 35 Jahre alt, 58.667 bis 60 und 6.443 über
60 Jahre alt. Und last but not least das Geschlecht: neben 66.780 Männern waren
47.246 Frauen unterwegs.
Mehr
als 2 Millionen Exemplare wurden von Kerkeling's Buch
verkauft. 2 Millionen Deutsche, Österreicher und deutschsprachige Schweizer
beschäftigen sich mit der Idee: "Jakobsweg". Es ist ein Phänomen
unserer Zeit - lassen Sie uns dieses Phänomen ein wenig näher beleuchten.
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Mythos Jakobswege
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Santiago de Compostela - warum wurde das Grab zum Hauptpilgerziel?
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Mittelalterliche Pilger unterwegs!
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Heilige Jahre
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Deutschland und seine Jakobswege
Mit
ein paar Mythen über die Jakobswege und den Jakobskult wollen wir heute einmal
aufräumen.
Zunächst
einmal der Weg selbst. DEN Jakobsweg gibt es einfach nicht. Zwar wurde der
Hauptweg, der sogenannte Camino Frances als Hauptverkehrsachse von den Pyrenäen
bis zum Jakobusgrab, 1993 zum UNESCO-Welterbe ernannt und 1998 erhielten die
vier französischen Zubringerwege auch diesen Titel, aber grundsätzlich beginnt
jeder Jakobsweg vor der Haustür des Jakobspilgers. Bei dieser Vielzahl der
Jakobswege nun die historisch relevanten herauszufinden - das überlassen wir
lieber den Spezialisten.
Dann
die Bedeutung des Weges in neuerer Zeit, sagen wir einmal ab 1989 - ab diesem
Jahr liegen veröffentlichte Statistiken vor. 2 Millionen verkaufte Exemplare
von Hape Kerkeling's "Ich bin dann mal weg
..." legen eine besondere Bedeutung des Weges nahe. Tatsächlich sind von
1989 bis 2007 lediglich 60.949 pilgernde Deutsche in Santiago de Compostela
angekommen. Das sind bei einer Einwohnerzahl von 82.438.000 nur 0,08% der
deutschen Bevölkerung. Um die Zahl noch weiter zu relativieren: Im Jahr 2004
haben 48,1 Millionen Deutsche Urlaub gemacht. Davon waren nur in diesem Jahr
13,6% in Spanien - 6.541.500 Touristen. Und davon waren 6.816 Jakobspilger.
Eine verschwindend geringe Zahl, nicht wahr? (Achtung: diesen Satz nehme ich
am Schluss wieder zurück!)
Und
wenn wir über die grossen Pilgerziele des
Mittelalters, nämlich Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela sprechen, dann
müssen wir uns auch klar machen, dass es auch damals nicht unbedingt ein
ständiges Kommen und Gehen gab. Im Jahre 1430 hatte die grösste
Stadt des Heiligen Römischen Reiches, Köln, eine Einwohnerzahl von 40.000. Wieviele davon mögen zum Grab des Heiligen Jakobus
gepilgert sein? Zum Vergleich: täglich werden am Frankfurter Flughafen mehr als
148.000 Passagiere abgefertigt.
Und
einen Mythos hätten wir dann fast noch vergessen: den Mythos rund um das Grab
des heiligen Jakobus d.Ä. In Jerusalem wurde der Apostel hingerichtet und
gelangte dann angeblich auf wundersamen Wegen in den nordwestlichen Zipfel
Spaniens, nahe Finisterre, dem Ende der damals bekannten Welt.
Und
damit haben wir den Anschluss an das nächste Kapitel: Wer war denn dieser
Jakobus eigentlich und wie, um Himmels willen, gelangte er in den Legende nach
Spanien?
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Mythos Jakobswege
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St.-Jakobus d.Ä. - Apostel und
Maurentöter?
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Santiago de Compostela - warum wurde das Grab zum Hauptpilgerziel?
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Mittelalterliche Pilger unterwegs!
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Der "wahre Jakob"!
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Deutschland und seine Jakobswege
Wer
ist denn eigentlich dieser Jakobus? Und warum nennt man ihn "der
Ältere"? Und wieso kann ein Apostel zum Maurentöter werden? Und wer sind
überhaupt die Mauren? Fragen über Fragen, denen wir jetzt mal einer nach der
anderen auf den Grund gehen wollen.
Jakob
war und ist ein sehr gebräuchlicher Name und geht zurück auf den Patriarchen
Jakob. Der war der Sohn von Isaak und der Zwillingsbruder von Esau. Und weil er
sich bei der Geburt angeblich an dessen Ferse festhielt, nannte ihn sein Vater Ja'aqob - Fersenhalter. So einfach ist das und Eltern
wussten damals schon nicht, was sie ihren Kindern mit der Namensgebung so alles
antun können.
Jakob
heisst auf Kölsch übrigens Köbes
(ja, richtig, wie der Kellner in der urigen Kölsch-Kneipe) und auf spanisch
Santiago (Heiliger Jakob) - aha, daher, aber das kommt eigentlich später.
Jakobus
gehört zu den ersten berufenen Jüngern, zu den 12 Aposteln. Im Neuen Testament,
genau genommen im Matthäus-Evangelium heisst es dazu:
"Als
Jesus einmal am Ufer des Galiläischen Meeres entlangging, sah er zwei Fischer,
die eben ihre Netze auswarfen. Sie waren Brüder und hiessen
Petrus und Andreas. Auf, rief er sie an, mir nach! Ihr sollt Menschen fischen!
Da liessen sie ihre Netze, wo sie lagen, und gingen
ihm nach. An einer anderen Stelle sah er wieder zwei Brüder, Jakobus und
Johannes, die mit ihrem Vater Zebedäus im Boot sassen
und ihre Netze flickten, und rief auch sie an. Da standen die beiden augenblicklich
auf, liessen das Boot und ihren Vater zurück und
schlossen sich Jesus an." (Mt 4,18-22)
Die
erstberufenen Jünger nehmen im Neuen Testament eine besondere Rolle ein und
Jesus lässt sie an bedeutenden Ereignissen in seinem Leben teilnehmen. Im Matthäus-Evangelium
wird berichtet, wie Jesus Petrus, Johannes und Jakobus beseite
nimmt und sie allein auf einen hohen Berg führt. Dort verklärte sich Jesus und
es erschienen Mose und Elia, die mit Jesus redeten (Mt 17,1-3). Auch in den
Garten Getsemani nahm Jesus wieder die drei Apostel Petrus, Johannes und
Jakobus mit - die miterleben konnten, wie Jesus trauerte und sich ängstigte (Mt
26,36-38).
Also
hatte dieser Jakobus schon eine ganz besondere Stellung zu Jesus. Den Zusatz
"der Ältere" oder "Maior" oder
"der Grosse" gaben ihm spätere Generationen, um ihn von den anderen
zu unterscheiden. Im Neuen Testament werden nämlich noch mehrere Jünger und ein
Apostel Jakobus genannt. Jakobus der Kleine (oder Jüngere) und Jakobus der
Gerechte sind wahrscheinlich ein und dieselbe Person, wohl ein Bruder Jesus.
(Mt 13,55 oder Mk 6,3). Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf -schliesslich gibt es seit 1600 Jahren das Dogma der
immerwährenden Jungfräulichkeit der Mutter Gottes- handelt es sich nach
Auffassung der katholischen Kirche bei dem späteren Leiter der Jerusalemer
Gemeinde nicht um einen Bruder, sondern um einen Vetter oder anderen nahen
Verwandten von Jesus.
Im
Markus-Evangelium wird berichtet, dass Jesus seinen ausgewählten Jüngern
Beinamen gab. Der bekannteste Name ist Petrus für Simon - und den beiden
Brüdern Johannes und Jakobus, den Söhnen des Zebedäus, gab er den Beinamen
"Donnersöhne" (aramäisch Boanerges). Dies wohl wegen ihrer ungestümen
Wesensart - aber auch dazu kommen wir ein wenig später.
Den
späteren gewaltsamen Tod von Jakobus (und Johannes) spricht Jesus schon früh
an. Sowohl im Markus-Evangelium (Mk 10,39), als auch im Matthäus-Evangelium
wird der Tod reflektiert: "Könnt ihr den Becher des Leidens und des Todes
bis zur Neige trinken, den ich trinken werde? Sie antworteten: Das können wir.
Darauf Jesus: Gut. Ihr werdet denselben Becher austrinken, den ich trinken
werde." (Mt 20,22-23)
So
gibt es also eine Fülle von Belegen für den Apostel Jakobus d.Ä. - den letzten
Verweis finden wir in der Apostelgeschichte. Dort steht: "Um diese Zeit
griff König Herodes zu, um an einigen aus der Gemeinde seinen Zorn auszulassen.
So liess er Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem
Schwert hinrichten, und als er sah, dass es den Juden gefiel, liess er auch Petrus festnehmen, und zwar gerade am
Osterfest." (Apg 12,1-3)
Wie
gelangt nun dieser gute Mann, nach seinem Tod, ohne Kopf, nach Spanien und
entwickelt sich dort zum Maurentöter?
Die
Apostelgeschichte hilft uns da nicht mehr viel weiter. Wir sind also auf
Legenden angewiesen.
Zunächst
einmal hat er sich noch mit Kopf, einer Legende zufolge, nach der Himmelfahrt
Christi auf den Weg gemacht, um die iberische Halbinsel zu missionieren. Paulus
rechts herum, Jakobus links herum. Ums Mittelmeer natürlich. Er hat Jünger
rekrutiert, indem er prophezeit hat, dass er nach seinem Tod Unzählige bekehren
werde. Besonders viel Erfolg hatte er auf seiner Missionsreise nicht gerade,
soll er doch in Saragossa (das es damals noch nicht gab) am Ufer des Ebro
gesessen haben und vor lauter Frustration bittere Tränen geweint haben. Als er
dann aber abbrechen wollte, schnell wieder nach Hause zurückwollte, erschien
ihm die Jungfrau Maria und hat ihm ihre Unterstützung zugesagt. Schliesslich kam er nach Jerusalem zurück und wurde um 44
nach Chr. hingerichtet.
Und
jetzt kommt sie, die sogenannte Translation, die grundlegende Legende aller
Jakobusanhänger: seine Jünger übergaben den Leichnam des Apostels einem Schiff
ohne Kapitän und Besatzung und dieses landete in Galicien, im Nordwesten
Spaniens. Dort waren auch gleich andere Jünger zur Stelle, schafften den
Leichnam auf einem Ochsenkarren ins Landesinnere und begruben ihn an der
Stelle, an der die Ochsen von sich aus Rast machten. Danach geriet das Grab in
Vergessenheit.
Eine
andere Legende erzählt jetzt die Wiederauffindung des verloren geglaubten
Grabes: Der Eremit (Einsiedler) Pelayo hatte eine Lichterscheinung, irgendwann
zwischen 818 und 834, gerade richtig passend zur flächendeckenden
Christianisierung Galiciens. Theodemir, der
zuständige Bischof, ordnete den Bau einer Kapelle an - bumms,
der Wallfahrtsort ist erfunden, ab sofort ist mit starkem Pilgerverkehr quer
durch Spanien zu rechnen.
Nein,
ganz so schnell ging es natürlich nicht. Diese ganze Geschichte taucht in den
Urkunden tatsächlich erst im 9. Jahrhundert auf. Aber schon gegen Ende des 9.
Jh. wird dem Heiligen eine mehr und mehr militärische Funktion zugeschrieben.
Er entwickelte sich, aus welchen Gründen auch immer, zum spanischen
Nationalheiligen. Alfons III. von Asturien, auch der Große genannt, führte seine Siege gegen die Mauren, aber auch gegen
feindliche Christen in zum Beispiel Portugal, auf das persönliche Eingreifen
von St. Jakob zurück. Geholfen hat es ihm 910 nicht wirklich, den Aufstand
seines ältesten Sohnes konnte Alfons noch niederschlagen, als dann aber die
jüngeren Söhne mit der Königin rebellierten, musste er ins Exil.
Von
da ab geben sich die Erscheinungen des Apostels die Klinke in die Hand. 1064
ist er bei der Eroberung der Stadt Coimbra dabei, im 12. Jh. taucht die Legende
auf, er wäre schon im Jahr 844 bei der Schlacht von Clavijo als Ritter auf
einem Schimmel dabeigewesen. Dass diese wohl
berühmteste Schlacht der Reconquista, also der Rückeroberung der iberischen
Halbinsel von den Moslems, gar nicht stattgefunden hat, war damals wie heute
eigentlich zweitrangig.
Auch
Karl der Große wollte bei soviel allerheiligster Unterstützung nicht abseits
stehen. Und so liess er sich höchstpersönlich vom
Heiligen Jakob beauftragen, den Weg zum Jakobsgrab von den Mauren zu befreien.
Erfolg hatte er aber eher mit seinen angeblichen diplomatischen Verhandlungen
und gegenseitigen Stillhalteabkommen denn mit seinen militärischen Operationen
auf der iberischen Halbinsel.
Und
damit sind wir bei den Jakobswegen. Nur eines noch, wo wir gerade von Karl dem
Grossen sprechen. Kennen Sie Runkel an der Lahn? Der Sage nach ist ein Ritter
Karls des Großen dem grossen Massaker der Schlacht
von Roncesvalles (Roncevaux), bei dem auch Roland ums Leben kam, entkommen und
hat eine Burg an der Lahn errichtet. So leitet sich angeblich der Name Runkel
von Roncevaux ab.
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Mythos Jakobswege
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Santiago de Compostela - warum
wurde das Grab zum Hauptpilgerziel?
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Mittelalterliche Pilger unterwegs!
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Der "wahre Jakob"!
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Heilige Jahre
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Deutschland und seine Jakobswege
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Überall
können wir bei dem bisher gesagten zwischen den Zeilen die machtpolitischen und
wirtschaftlichen Interessen lesen, die mit dem Apostelgrab gerade am Ende der
damalig bekannten Welt verbunden waren (und heute noch sind). Die ersten Pilger
aus Aquitanien und dem Bodenseeraum sind bereits im 10 Jh. (wohl um 930 herum)
belegt. Und dann geht es Schlag auf Schlag. Bei den Spaniern kann man es noch
verstehen, immerhin handelt es sich um ihren Nationalheiligen. Dann aber
folgten die Franzosen und die Deutschen - Pilger sind aus Osteuropa, aus
Skandinavien, ja selbst aus Island belegt. Nach den Engländern wurde ein
Pilgerweg, der Camino Ingles von Ferrol
bzw. La Coruna, benannt.
Warum
das alles? Warum entwickelt sich hier, neben Jerusalem und Rom, ein drittes
Hauptpilgerziel für die Christenheit?
Zunächst
einmal brauchte die Reconquista, die Rückeroberung der iberischen Halbinsel von
den Arabern, und das neue Königreich Asturien eine Identifikationsgestalt.
Diese war mit dem Apostel, Märtyrer und Maurentöter Jakobus d.Ä. schnell
gefunden. Jakobus legitimierte Asturien als Nachfolgereich der im Maurensturm
untergegangenen Westgoten und die Königsfamilie als Nachfolger Theoderichs des
Großen.
Aber
erst 1075 erscheint ein erster ausführlicher Bericht über die Grabauffindung,
die „Concordia de Antealtares“. Die Zusammenfassung der wichtigsten Legenden
erfolgt im 12. Jh. durch den Liber Sancti Jacobi und
durch die Legenda Aurea im
13. Jh. Der Liber Sancti Jacobi wird auch Codex
Calixtinus genannt und enthält u.a. den ersten bekannten Pilgerwanderführer.
(Nicht, dass ich mich in der Nachfolge des Papstes Calixt II. sehe, der wars auch gar nicht, der ihn geschrieben hat. Tatsächlich
wird es wohl ein französischer Gelehrter, Aimeric Picaud, gewesen sein.)
Im
Codex Calixtus ist auch der sogen. Pseudo-Turpin
enthalten, ein Buch, in dem geschildert wird, wie Karl der Große auf Geheiß des
Apostels den Weg zum Grab von den Mauren befreit.
Und
schon sind wir mitten drin im schönsten Machtgerangel. Die Verbindung des in
Deutschland und Frankreich verehrten Karl mit dem Nationalheiligen Spaniens
weckt nicht nur das Interesse des deutschen und französischen Volkes, sie
bietet auch die ideale Gelegenheit für Friedrich I. Barbarossa und Ludwig VII.
von Frankreich die eigene politische Vormachtstellung in Europa zu begründen
und anzumelden.
Gleichzeitig
nutzen Asturien und die anderen christlichen Königreiche Spaniens die
Gelegenheit, die entvölkerten Landschaften neu zu besiedeln - besonders entlang
des sich langsam entwickelnden Weges vom Kloster Roncesvalles in den Pyrenäen
bis nach Santiago de Compostela. Besonders in Frankreich werden Bauern,
Kaufleute und Handwerker mit Freiheitsrechten, Privilegien und
Steuerbefreiungen angeworben und entlang des Pilgerweges angesiedelt. Noch heute
heisst deshalb dieser Hauptjakobsweg
"Camino Frances".
Geschickt
nutzte auch die Kirche das Interesse am angeblichen Apostelgrab. Die
Klosterreform von Cluny (wussten Sie eigentlich, dass Cluny uns den
Allerseelentag beschert hat?), aber ganz besonders neue theologische
Entwicklungen in der christlichen Heils- und Erlösungslehre wurden noch vor Rom
in Santiago de Compostela aufgegriffen und verbreitet.
So
wurde in einfachen, allen verständlichen Worten die Fürsprache des Apostels bei
einem versöhnenden Christus vermittelt. Diese Botschaft fiel gerade bei der
ärmlichen, ja wirklich im Elend lebenden Bevölkerung Europas auf fruchtbaren
Boden. Viele machten sich auf, liessen den Schmutz
und Unrat der mittelalterlichen Städte, den Hunger und das Elend hinter sich,
um am Grab in Santiago de Compostela den heiligen Jakobus um Beistand bei
Christus zu bitten.
Später
integrierte das Domkapital auch ein Ablasswesen und Heilige Jahre nach dem
Vorbild Roms in die Pastoral.
Bereits
um 1075 wurde mit dem Bau der romanischen Kathedrale begonnen, 1120 wurde
sie zum Sitz eines Erzbischofs.
In
der frühen Neuzeit verfiel der Pilgergedanke mehr und mehr, die Reformation und
Luthers persönliche Einstellung zum Thema Pilgern tat ein übriges:
die Zahl der Pilger nahm dramatisch ab. Einige heftige Kriege zwischen
Frankreich udn Spanien haben auch eine nicht zu
geringe Rolle gespielt. Aber ab Mitte des 17. Jh. geht es wieder aufwärts, ein
umfangreiches Bauprogramm wird begonnen und 1769 mit der Vollendung einer neuen
Nordfassade abgeschlossen.
Die
Säkularisierungswelle nach den napoleonischen Kriegen zerstört nicht nur Cluny
und andere kirchliche Schätze, sondern auch fast die gesamte karitative
Infrastruktur des Camino Frances. Aber der Pilgerstrom wurde zwar reduziert,
hört jedoch niemals ganz auf. 1879 wurden die verschollen geglaubten Gebeine
des Apostels wiedergefunden, Papst Leo XIII. bestätigt 1884 die Echtheit
und löst damit eine neue Pilgerwelle aus. 1937 erklärte Franco das Fest des
Heiligen Jakobus zum Nationalfeiertag. 1950 gründet sich in Paris eine
wissenschaftliche Jakobusgesellschaft.
Seit
1970 gibt es einen neuen Aufschwung. In dem Jahr haben 68 Pilger die Compostela
erhalten. 1980 sind es 209 PilgerInnen, 1990 4.918,
im Jahr 2000 55.004 und schliesslich 2007, im Jahre 6
nach HP (Hape Kerkeling ist 2001 den Camino Frances gegangen) immerhin
114.026 Pilger.
Auf
dem Jakobsweg befinden Sie sich in berühmter und frommer Gesellschaft: Johannes
Paul II., Otto von Habsburg, Cees Noteboom, Paulo
Coelho, Shirley McLaine, Verona Pooth, Frank Elstner
oder Jenna Bush, die amerikanische
Präsidententochter.
Den
eigenen Machtanspruch manifestieren, Spanien eine neue Identifikationsfigur
geben, verödete Landstriche neu besiedeln, und schliesslich
sogar die europäische Vormachtstellung eines Friedrich I. Barbarossa oder
Ludwig VII. begründen - all das setzt Energien bei den Herrschenden des
Mittelalters frei, um Santiago de Compostela zu einem der wichtigsten Orte der
Christenheit zu machen.
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Santiago de Compostela - warum wurde das Grab zum Hauptpilgerziel?
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Deutschland und seine Jakobswege
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Was
trieb nun den mittelalterlichen Pilger auf den Weg nach Santiago de Compostela?
Verabschieden
Sie sich von dem Gedanken, dass die Pilger des Mittelalters immer fromme
Gesellen und Gesellinnen waren, die munter ausschreitend, ein Kirchenlied auf
den Lippen, die bis zu 4.000 km lange Pilgerfahrt unternahmen.
Fangen
wir mal oben an, bei den Adligen. Wobei ich natürlich sagen muss, dass
Ausnahmen immer die Regel bestätigen. Also bei den Adligen dominierte die
Abenteuerlust. Nicht selten legte man auf dem Weg nach Santiago de Compostela
einen kurzen Stopover an der Sarazenenfront ein, um sich ein wenig an der
Reconquista, der Rückeroberung Spaniens zu beteiligen. Heute würde man salopp
sagen: "Araber kloppen!" Das ging oft genug schief, und der Ritter
von SoUndSo kam nicht wieder nach Hause. Aber dafür
gab es immerhin zumindest zeitweilig einen Ablass vom Papst.
Von
anderen Adeligen wissen wir Genaueres. Zum Beispiel vom böhmischen Diplomaten,
Herrn Leo von Rozmital, einem Verwandten des
böhmischen Königs, der sehr genau seine "Ritter-, Hof- und Pilgerreise
durch das Abendland" beschrieben hat. Bei ihm und auch bei anderen Adligen
seiner Zeit spielt der Bericht über den Besuch des Apostelgrabes denn auch nur
eine untergeordnete Rolle. Sie waren mehr darauf bedacht, in den Orten, in
denen sie verweilten, ihren Namen und/oder ihr Wappen zu hinterlassen. Zum
Beispiel in Neuss, wo von Rozmital im Jahre 1465
vorbeikam.
Heute
geschieht das übrigens anders herum: der neuzeitliche Pilger frönt der
Stempelsammelleidenschaft. Stempel im Pilgerpass sind so etwas wie die
Stocknägel der 50er und 60er Jahre. Und natürlich für die letzten 100, bzw. 200
km vor Santiago de Compostela unabdingbar. Denn nur durch zwei Stempel am Tag
kann der Pilger im Pilgerbüro belegen, dass er gepilgert ist und erhält auch
nur dann die begehrte Urkunde.
Zurück
zu den Adligen, die sich direkt nach Santiago aufmachten, denn diese haben auch
häufig den weniger beschwerlichen Seeweg gewählt. Die Schiffe landeten dann in
La Rochelle, Bordeaux oder A Coruna und von dort ging
es zu Fuß oder zu Pferd weiter nach Santiago de Compostela.
Ein
weiterer Beweggrund war die Neugierde. Reisen war "In" und wie in der
heutigen Zeit reisten alle Gesellschaftsschichten. Die grossen
Reisen nach Konstantinopel, nach Rom, nach Jerusalem, nach Santiago de
Compostela, in die arabische Welt liebten die Menschen des Hoch- und
Spätmittelalters über alles. Das ging sogar so weit, dass sich geistliche
Pilger, wie Priester, Mönche und Nonnen, in einen Interessenkonflikt zwischen
spiritueller Pflicht und individueller Neigung gestürzt sahen. (Ganz-Blätter,
1991, S. 239f.)
Ab
etwa 1500 kam noch ein weiterer Aspekt hinzu: da wurde die Pilgerfahrt zur
Ausrede, um sich an ausländischen Höfen aufzuhalten, um fremde Sitten
kennenzulernen, um zu Handeln oder um an Ritterturnieren teilzunehmen.
Aber
bei allen weltlichen Motiven, die gerade bei den Privilegierten eine Rolle
gespielt haben mochten, so stand und steht auch heute noch die Buß- und
Betfahrt im Vordergrund. Diejenigen, die zum Beispiel schon von einer schweren
Krankheit genesen waren oder aus grosser Not errettet
wurden, brachen auf, um dem Heiligen für die Heilung oder Errettung zu danken.
Diese Bittfahrten wurden häufig auch auf Grund von Gelübden durchgeführt. Die
Furcht vor dem Fegefeuer liess die Gläubigen nach
einem immer zuverlässigeren Schutz vor der Verdammnis suchen. Die Kirche konnte
auch Pilgerfahrten anordnen, zum Beispiel als Buße für eine schwere Sünde. Aber
das Mittelalter wäre nicht das Mittelalter, wenn nicht gerade für diese
Bußwallfahrten ein Schlupfloch existiert hätte. So konnte die Wallfahrt auch delegiert
werden, d.h. ein Stellvertreter machte sich auf den Weg nach Santiago de
Compostela. Und das gibt es auch heute wieder. Suchen Sie einfach einmal im
Internet nach Stellvertreter-Wallfahrt. Selbst als Sühne für schwere Verbrechen
konnte die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela auferlegt werden. Im Jahr
1306 gab es einen Pilger aus Gent, der sich auf den Weg machen musste.
Hauptsächlich im niederländischen Raum ergriffen die Gerichte diese Maßnahmen.
Wie
gesagt, die weltlichen haben die spirituellen Gründe der Pilgerfahrt nach
Santiago de Compostela nicht ersetzt. Grundsätzlich war das Hauptmotiv für eine
Reise die Erlangung des Ablasses und damit die Sündenvergebung.
Was
erwartete nun den einfachen Pilger auf seinem Weg? Ach so, richtig machohaft
spreche ich nur in der männlichen Form, verzeihen Sie bitte, meine Damen.
Selbstverständlich waren auch Frauen unterwegs. Und Paare sowieso. Also bitte:
wenn ich von DEM Pilger spreche, meine ich immer auch DIE Pilgerin.
Stellen
Sie sich vor, Sie lebten als Tochter aus adligem Haus im
Benediktinerinnenkloster Brunnenburg oder sind von Ihren Eltern ins
Prämonstratenserkloster Arnstein gesteckt worden, um dort von den Mönchen
Zucht, Ordnung und Gebet zu erlernen. Man konnte halt mit Ihnen zu Hause nicht
viel anfangen - und Pflichtteile der Erbschaft kommen erst viel später ins
Gesetzbuch. Immerhin noch besser im Kloster an der Lahn, als auf ewiger
Wanderschaft. Stellen Sie sich weiter vor, wir schreiben so etwa das Jahr 1300.
Es ist Winter - und es ist verdammt kalt in diesem Jahr.
Die
Sitten werden schon streng gewesen sein, auch wenn die Sagen heute noch von
Kindergebeinen im Gewölbekeller der Brunnenburg und von einem langen
unterirdischen Gang zwischen der Brunnenburg und Kloster Arnstein berichten.
Und
in diesem kältesten Winter seit Menschengedenken, in dem die grossen Kamine in den beiden Klöstern vergeblich versuchen,
die feuchten Mauern ein wenig aufzuheizen, suchen Sie zumindest nachts ein
wenig Körperwärme beim anderen Geschlecht. Aber schon im Morgengrauen, noch vor
der Laudes, dem Morgengebet, rennen Sie den Weg zurück
in Ihr Kloster, in Ihre kalte und klamme Zelle.
Diese
Nacht blieb nicht so ganz ohne Folgen und als diese Folgen nicht mehr zu
verheimlichen waren, beichten Sie Ihren Fehltritt Ihrem Beichtvater. Der
erteilt Ihnen die Absolution unter der Bedingung, dass Sie am Grab des Heiligen
Apostel Matthias in Trier und am Grab des Heiligen Apostel Jakobus d.Ä. Gott um
Vergebung Ihrer Sünden bitten.
Im
nächsten Frühjahr machen Sie sich also auf die beschwerliche Reise nach
Santiago de Compostela. Bevor Sie aufbrechen, hat Ihnen die Äbtissin bzw. der
Abt ein kleines, handgeschriebenes Büchlein mit auf den Weg gegeben. Dieses
Büchlein wird schon seit einigen Jahrzehnten innerhalb des Ordens immer wieder
abgeschrieben und den Jakobspilgern mitgegeben. Es enthält neben einer Anzahl
Texte zur geistlichen Erbauung auch eine Wegbeschreibung und eine mehr oder
weniger vollständige Liste der Klöster am Pilgerweg. Bestimmt ist dieses
Heftchen nicht so umfangreich wie der Liber Sancti
Jacobi, dafür aber immer aktuell gehalten und ein unentbehrliches Hilfsmittel.
Immer
auf den Höhen, denn das Lahntal (und später Moseltal) ist sumpfig und
stellenweise überhaupt nicht passierbar, legen Sie am Tag zwischen 20 und 40 km
zurück. Wenn Sie keine Unterkunft in einem Kloster finden können,
versuchen Sie, Obdach und eine Mahlzeit in einer der Ortschaften oder
Burgen am Weg zu erhalten. Gelegentlich übernachten Sie auch unter freiem
Himmel und essen das harte Brot, das Sie vom Schultheiss
der letzten Ortschaft als Wegzehrung erhielten. Dies ist aber wegen der wilden
Tiere in den dichten Wäldern nicht ohne Gefahren.
Ihr
Pilgerbrief stellt Sie unter den besonderen Schutz des Gesetzes. Harte Strafen
erwarten denjenigen, der sich an dem Hab und Gut oder an dem Pilger selbst
vergreift. Klöster, Kirchen, Rittergüter, Burgen, ja, jedermann ist aufgerufen,
dem Pilger Obdach und Essen zur Verfügung zu stellen. In Trier und an vielen
anderen Orten haben Sie als Pilger nicht nur Pilgerherbergen zu erwarten,
sondern auch Pilgerhospitäler für den Fall, dass Sie wegen Krankheit nicht
weitergehen können.
Um die
Mildtätigkeit gerade der armen Bevölkerung auf eine nicht allzu harte Probe zu
stellen, sind Sie als Pilger gehalten, nicht mehr als 3 Nächte an einem Ort zu
bleiben - es sei denn, Sie sind schwer erkrankt.
Nassau
passieren Sie, die Stammburg des später weit verzweigten Hauses Nassau. Einen
König hat das Haus schon hervorgebracht – leider einen relativ erfolglosen.
Erst vor zwei Jahren war König Adolf von Nassau auf Lahneck zu Gast und fällt
wenig später im Kampf gegen die Österreicher. Dass die Nassauer einmal
europäische Geschichte schreiben werden, heute noch das niederländische und
luxemburgische Herrscherhaus stellen, hätten Sie damals als Pilger kaum für
möglich gehalten.
Auf
der anderen Lahnseite liegt Dausenau. Eine Zeitlang verharren Sie und
beobachten den Kirchenbau. Die alte Kirche war baufällig geworden, nur den Turm
konnte man erhalten. Aber erst 50 Jahre später erhält der Ort die Stadtrechte
und baute seine heute noch zum Grossteil erhaltene Stadtmauer.
Obwohl es eigentlich noch zu früh ist, suchen Sie sich ein Quartier in Ems. Natürlich weiss man um 1300 noch nicht, welche Bedeutung die warmen Quellen hier einmal in späterer Zeit haben werden, aber aus dem kleinen, römischen Kastell mit Truppen zur Bewachung des Limes hat sich ein kleiner, unbedeutender Ort entwickelt. Der Limes überquerte hier die Lahn. Auch Silbervorkommen wurden hier schon abgebaut. Erst rund 150 Jahre später wird durch die hessischen Landgrafen und die Grafen von Nassau ein Badehaus in Auftrag gegeben – die Mainzer und Trierer Kurfürsten erbauten ihre eigenen Häuser. Noch später, im 17. und 18. Jh., wurde Ems zu einem der berühmtesten Badeorten in Deutschland. Weltbedeutung erlangte es im 19. Jh., als es bevorzugter Kurort des preussischen Königs wurde. In dieser Zeit logierten dann auch der russische Zar Nikolaus I. und Alexander II., Dostojewski, Richard Wagner und viele andere hier. 1870 wurde hier Weltgeschichte geschrieben, die Emser Depesche löste den deutsch-fanzösischen Krieg und die spätere Kaiserkrönung Wilhelm I. in Versailles aus.
Am nächsten Tag gelangen Sie nach Lahnstein, zur Burg Lahneck und an den Rhein. Auch hier an der Lahnmündung hatten schon die Römer die strategische Bedeutung erkennt. Lahneck gibt es seit rund 80 Jahren, der Mainzer Fürstbischof liess die Burg als Zollburg bauen. Aber schon 1298 wird unten, direkt am Rhein, die Marksburg als neue Zollburg und Teil der Stadtbefestigung errichtet.
Der Lahnecker Burggraf Friedrich Schilling von Lahnstein gewährt Ihnen Unterkunft, lädt Sie zum frühen Abendmahl und gibt Ihnen reichlich Proviant mit auf die weitere Reise. Dann trägt er Ihnen auf, für ihn und seine Familie an den Apostelgräbern zu beten.
So sind Sie in diesen zwei Tagen nicht sonderlich weit gekommen. Jeder möchte Ihnen Gebetsaufträge mit nach Santiago de Compostela geben, besonders der niedere Adel ist etwas neidisch auf Ihre Pilgerfahrt.
Für
ein "Vergelt's Gott" setzt Sie der Fährmann
am nächsten Morgen über den Rhein und Sie erklimmen die Hunsrück-Höhen - vorbei
an Burg Stolzenfels. Die in der Zollburg gerade Dienst tuende Mannschaft
erkennt Sie zwar als Nonne/Mönch und als Pilger, macht aber dennoch derbe Späße
mit Ihnen. Auch das wird für Sie Alltag in den nächsten Monaten werden. Wir
können uns heute nur noch schwer vorstellen, wie die Burg in damaliger Zeit
aussah. Als Zollburg von Kurtrier wird sie aber lange nicht so heimelig gewesen
sein, wie sie sich nach dem Umbau zum Romantik-Juwel darstellt.
Auf
den Hunsrück-Höhen treffen Sie schliesslich auf die
alte Römerstraße von Koblenz nach Trier, der Sie bis zur Abtei St. Mattheis folgen könnten – entlang der Römerstraße könnten
Sie Unterkunft und Verpflegung erhalten. Da Sie als Pilger jedoch immer wieder
auf die Mildtätigkeit angewiesen und die spirituelle Unterstützung suchen,
steigen Sie unterwegs immer wieder in die Moselortschaften hinab, um sich mit
Verpflegung zu versorgen und gelegentlich ein Dach über dem Kopf zu finden.
Noch
heute ist die Kelten- und Römerstrasse ein viel genutzter Weg zwischen Koblenz
und Trier. Sie passieren den Merkurtempel, der schon lange nicht mehr als alte
Kultstätte erkannt wird. Sie machen eine kurze Rast und es geht weiter in Richtung
Asch (Waldesch). Das Gut mit den paar Häuser gehört
dem Nonnenkloster in Kaufungen.
Bald
erreichen Sie die Wallfahrtskirche auf dem Bleidenberg.
Hier haben schon die Kelten gesiedelt. Die Wallfahrtskirche wurde aber erst vor
rund 50 Jahren errichtet. Seit 1248 gehören die beiden Ortschaften, die Sie
unten an der Mosel erkennen können, jeweils zur Hälfte den Kurfürsten von Trier
und Köln. Auch die Burg Thurandt ist mit einer Mauer
in einen Kölner und einen Trierer Bereich geteilt.
Der
von den Schöneckern, die zur Zeit über die Burg
gebieten, eingesetzte Burgvogt bewirtet Sie an diesem Tag besonders gut. Er
gibt Ihnen einen Brief an seinen Herrn mit, der derzeit auf Burg Eltz weilt.
Deshalb
lassen Sie sich am nächsten Tag auch über die Mosel setzen, ungefähr in Höhe
von Moselkern, um durch der Straße nach Münstermaifeld zu folgen, an der die
Burg Eltz erbaut wurde.
Aber
hier können Sie sich nicht allzulange aufhalten. Sie
erledigen Ihren Auftrag und ziehen gleich weiter, diesmal auf den Eifelhöhen in
Richtung Karden, zum Stift.
Schon
im 4. Jh. Soll der heilige Kastor an der Mosel missioniert haben, seine Gebeine
wurden um 9. Jh. Nach Koblenz in die St. Kastorkirche gebracht. Dennoch haben
Karden und das Stift nichts von ihrer
Bedeutung verloren, denn das Archidiakonat –eines von 5 im Bistum Trier- gab es
noch bis in das 18. Jh. hinein.
Nachdem
Sie im Stift ein Dach über dem Kopf gefunden hatten und auch eine warme
Mahlzeit erhielten, ging es am nächsten Morgen weiter, zunächst aber noch
wieder zurück auf die Hunsrückseite, zum Kloster Maria Engelport. Dort lebt
seit 1265 ein Prämonstratenserinnenkonvent und Ihr Abt/Äbtissin hat Ihnen ein
Schreiben an den Prior/Prorin mitgegeben.
Langsam
wird die Zeit knapp mit den vielen Aufträgen, die Ihnen erteilt werden. Sie
bemühen sich, die restlichen Etappen fernab der Zivilisation und schnell
zurückzulegen.
In
Trier halten Sie sich nicht lange auf. Zu lang ist noch der Weg, den Sie
zurücklegen müssen. Im Dom beten Sie vor dem Hochaltar, in dem seit 100 Jahren
der Heilige Rock, die Tunika Christi aufbewahrt wird. Dann gehen Sie weiter zur
Abtei St. Matthias mit dem einzigen Apostelgrab auf deutschem Boden und
nördlich der Alpen. Hier, bei den Benediktinern erhalten Sie heute Unterkunft
und eine warme Mahlzeit.
Sie
werden auf Ihrer Pilgerfahrt durch Frankreich viele Mitpilger treffen, werden
sich zu Gruppen zusammen schliessen
– diese werden wieder auseinanderbrechen und neue Pilgergruppen werden sich
bilden.
Ihr
Weg führt Sie durch Metz mit seiner großartigen Kathedrale, durch Toul, wo Sie wieder in der Kathedrale für Ihr und das
Seelenheil Ihrer Mitbrüder und –schwestern beten. Sie
kommen an Domremy
vorbei, dem Ort, in dem rund 120 Jahre später die Jungfrau von Orleans geboren
wird.
Endlich
gelangen Sie nach Vezelay, einem weiteren Sammelpunkt
der Santiagopilger und von dort aus nach Cluny, der grossen
und mächtigen Abtei, deren europaweite Ordens- und Kirchenreformen auch Ihr
kleines Kloster nahe Arnstein beeinflusst hat. Die Kirchenanlage von Cluny
übertraf selbst die enorme Größe des Dom zu Speyer und war bis zum Neubau des
Petersdomes in Rom (um 1500) der größte Kirchenbau der Christenheit.
Immer
dichter wird das karitative Netz für die Jakobspilger, immer besser die
Pilgerinfrastruktur. Schon Jahrzehnte und Jahrhunderte vorher wurde begonnen, allle 15 bis 20 km eine Herberge zu schaffen. Grosse
Sakralbauten entstanden und entstehen am Weg.
Schliesslich erreichen Sie Santiago de Compostela. An der
Kathedrale wird immer noch ständig gebaut. Vor rund 100 Jahren hat Meister Mateo den Säulengang der Herrlichkeit fertig gestellt. Er
wird mit seinen über 200 Figuren der Apokalypse als Hauptportal genutzt. Der
heilige Jakobus steht über allem und stellt eine Art Türwächter dar.
Sicher
könnten wir den Vortrag beliebig fortsetzen – wenn Sie Santiago de Compostela
in Bildern interessiert, dann kann ich Ihnen nur einen der zahlreichen
Diavorträge empfehlen, die in letzter Zeit immer wieder angeboten werden.
Nachdem
Sie als Pilger In der Kathedrale waren,
den heiligen Jakobus umarmten, und sich einige Tage von den Strapazen der
Pilgerfahrt erholen konnten, sind noch weiter zum Finisterre, zum Ende der
damals bekannten Welt gewandert. Hier haben Sie Ihre Kleider verbrannt und sich
eine Jakobsmuschel am Strand gesucht.
Die
Jakobsmuschel dient Ihnen nach der Heimkehr als Beweis der wahrhaften
Pilgerreise nach Santiago de Compostela. Und ja, noch heute sprechen wir vom
„wahren Jakob“, wenn etwas bewiesen wurde.
Ja,
damit sind wir ja schon beim „wahren Jakob“, denn wenn etwas der „wahre Jakob“
ist, dann trifft es genau den Kern einer Sache. Wahrscheinlich leitet sich
diese Redensart von den Streitigkeiten einiger Städte und Kirchen ab, die im
Mittelalter behauptet haben, dass die Reliquien des heiligen Jakobus
genau in ihrem Besitz sind.
Heute
wissen wir es nicht mehr, was genau der Grund für diese Redensart ist.
Bevor
wir nun zu dem zentralen Punkt des heutigen Vormittages kommen, will ich noch
ganz kurz auf die Heiligen Jahre eingehen.
Nur
wenigen Kathedralen wurde vom Papst das Recht eingeräumt, ein Heiliges Jahr zu
feiern. Heilige Jahre oder Jubeljahre gehen zurück auf das Buch Mose: „Ihr
sollt das fünfzigste Jahr heiligen und im Land Freiheit ausrufen für all seine
Bewohner ...“
Im
Jahr 1300 wurde das Heilige Jahr unter Bonifatius VIII. eingeführt und sollte
eigentlich nur alle 100 Jahre stattfinden. Schliesslich
einigte man sich unter Papst Paul II. darauf, ein Heiliges Jahr alle 25 Jahre
zu feiern – und so ist es auch heute noch. Gleichzeitg
bestimmte Paul II. Kathedralen zu Stellvertreterkirchen. Darunter auch die
Kathedrale von Santiago de Compostela. Durch Urkunden belegt sind die Heiligen
Jahre in Santiago ab erst 15. Jh.
Und
wie in Rom, so gab es auch hier im Heiligen Jahr einen vollkommenen Ablass,
eine Vergebung alles Sünden unter bestimmten
Voraussetzungen.
Heilige
Jahre finden in Santiago de Compostela immer dann statt, wenn der Jakobustag,
der 25 Juli, auf einen Sonntag fällt. Das letzte Heilige Jahr war 2004, das
nächste wird 2010 sein.
Deutschland
und seine Jakobswege, die es eigentlich gar nicht geben darf. So natürlich auch
nicht der Lahn-Camino, der von Marburg bis nach
Lahnstein führt und erst Recht nicht den Mosel-Camino
–auf denen wir eben einige Kilometer und Tage weit gepilgert sind-, der hier in
Stolzenfels ansetzt und dann weiter, an der Mosel entlang, bis nach Trier zum
einzigen Apostelgrab nördlich der Alpen führt.
Eine
Expertenkommission der EU hat sich nämlich der Sache angenommen und wie schon
die Standardisierung der Bananen durch die EU –ist Ihnen auch schon
aufgefallen, dass Bananen seitdem nicht mehr so richtig schön krumm, sondern
eigentlich ziemlich gerade gewachsen sind? – auch die Jakobswege
standardisiert. Und weil wir Deutschen immer gleich perfektionistisch „Hier“
schreien, wenn die EU etwas schreibt, kommt es zu folgender Definition:
„Demgegenüber hat sich jedoch eine
internationale, 1985 vom Europarat eingesetzte und heute bei der Regierung der
autonomen Region Galicien angesiedelte Expertenkommission auf eine Nomenklatur
verständigt, nach der lediglich die nordspanische Hauptverkehrsachse die
Bezeichnung Camino de Santiago (Jakobsweg)
tragen soll. Alle anderen Routen werden korrekt als Wege der Jakobspilger bezeichnet.
Mit dieser Nomenklatur soll zum Ausdruck gebracht werden, dass für den Camino Francés die
Benutzung durch Jakobspilger als eine tragende Hauptfunktion angenommen werden
kann, während es sich bei den anderen Wegen um Altstraßen gehandelt hat, die
unter anderem, aber nicht in erster Linie, dem Pilgern dienten.“
Und so gibt es halt in Deutschland
keine Jakobswege, sondern nur Wege der Jakobspilger. Das trägt zwar der
modernen Entwicklung nicht unbedingt Rechnung, ist aber politisch korrekt.
Beschäftigen wir uns also mit den
Wegen der Jakobspilger in Deutschland.
Dabei dürfen wir nicht vergessen,
dass der Jakobsweg nicht mehr nur ein historisches, sondern ganz besonders auch
ein aktuelles, neuzeitliches Phänomen ist. Immer mehr Pilger machen sich auf
den Weg. Pilgern ist „In“.
„Den“ Jakobsweg, ich habe es ganz
zu Beginn schon einmal erwähnt, gibt es nicht. Wenn Sie einen Spanier fragen,
wo denn der Jakobsweg beginnt, dann antwortet er Ihnen: „Vor deiner Haustür.“
Jakobsweg = Idee
Unterscheidung
Wallfahrt-Pilgerfahrt
Wallfahrt = göttliche Kraft an
einem Ort besonders stark
Pilgerfahrt = Der Weg ist das Ziel
Jakobsweg steht für den Lebensweg
des Menschen.
Ziel Santiago de Compostela tritt in
den Hintergrund, das Pilgern wird als konsequente Nachfolge Jesu Christi
gesehen. Ohne feste Bleibe, ohne Besitz, als Fremde (peregrinus)
unterwegs sein.
Lukas 9,58 sagt: Der Menschensohn
aber hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.
Jakobswege verlieren ihre
ursprüngliche Bedeutung, und gewinnen dafür eine Neue. Stehen für eine neue
Spiritualität.
Jakobswege in Deutschland:
Altstraßen
Heerwege
Handelswege
Kelten- und Römerstraßen
Wandelten im Laufe der Zeit, heisst, die Pilger suchten neue Wege, wenn die alten Wege
nicht mehr passierbar oder zu gefährlich wurden.
Hohlwegsysteme an der Lahn und der
Mosel, mehrere Wege nebeneinander – genauso stellen Sie sich die Jakobswege
vor.
Kamen aus dem Norden, benutzten
einen uralten Heer- und Handelsweg, den es lange vor den ersten Missionaren
gab: Ochsenweg.
Erst mit den Pilgern wurde er zur
Via Jutlandica.
Viborg – Padborg
– Flensburg – Schleswig – Rendsburg – Itzehoe – Glückstadt/Elbe – Wischhafen –
Stade – Bremen – Osnabrück – Herford? – Münster – Köln – Bonn – Eifel oder Rhein-Camino – B9 – Römerstraße
Jaskobsweg heute – eine Idee
Laufen, um mit sich selbst ins
Reine zu kommen
Laufen, um aus der Hektik des
Alltags auszubrechen
Laufen, um zu Entschleunigen
Laufen, um Zeit zu haben
Laufen aber auch, um sich
„einfach“ fortzubewegen
Geringes Budget,
einfaches
Leben, auskommen mit dem Nötigsten
…………..
Damit sind wir am Ende des Vortrages
angekommen. Ich hoffe, ich habe Sie kurzweilig über die Jakobswege führen
können.